31.10.03

Ein grosser Hörer

Peter Niklas Wilson war - nicht nur in seinem Schreiben über Musik - ein Vorbild.
Ich erinnere mich an ein Seminar, an ein Referat über John Oswald. Wilson verleiht Stapeln von Cd's, erläutert ruhig und präzis, worauf es ihm ankommt. Er legt ein Musikbeispiel auf, versinkt in sich, lässt die Musik sprechen, unterbricht, kommentiert, zerhackt nicht wie so viele.

Die Welt besteht weiter; was nützt es ihr, wenn sie nicht gehört wird.

Posted by afa at 10:59

30.10.03

Begegnung

Dezember 1870. Schnee in den Ardennen und an der Meuse. Rimbaud und Delahaye strolchen am Fluss herum. Eine kleine Hütte haben sie entdeckt -, falls es zu streng regnet. Hier lässt Rimbaud auch seine Gambier und Delahaye seine Jacob, um sie vor Beschlagnahmung durch die Mütter zu schützen.
Plötzlich stossen sie auf einen französischen Militärposten im Nebel:
«-Hé! là-bas...Qui vive?
Nous restâmes d'abord muets, n'osant croire à l'honneur d'être pris pour un détachement armé. Ne voulant pas en démordre, le moblot arma son fusil:
- Qui vive?...ou je tire...
"Fif le France!"... lui lança Rimbaud, riant comme un fou, avec l'accent le plus allemand qu'il pouvait.»

Jean-Jacques Lefrère: Arthur Rimbaud. Fayard 2001. 1242 p.

Posted by afa at 19:47

28.10.03

Rotgrün

Ein I sein wollen: «pourpres, sang craché, rire des lèvres belles
Dans la colère ou les ivresses pénitentes;»

Und doch nur ein U sein:«paix des rides
Que l'alchimie imprime aux grands fronts studieux;»

Posted by afa at 01:05

23.10.03

Stationär

«wir assen das frühjahr spargel
um spargel fadenscheinig»

Raphael Urweider: Das Gegenteil von Fleisch. Köln 2003 (Dumont Lyrik 13)

Steinig. Faltenwerfend.

Posted by afa at 14:00

22.10.03

alberghi tristi

«Ich sitze in einer Ofenwohnung
erstaunt und überzeugt
für öfters wiederkommende Minuten,
während die Vorstellung
die Vergangenheit zerstreut,
Geschichte sei nur Individuen zuzumuten.»

Armin Senser: Jahrhundert der Ruhe. Gedichte. Hanser 2003

Posted by afa at 13:17

21.10.03

Philosophen-Dinner

«Der direkte Weg ein Multiagentensystem zu schaffen, besteht darin, mehrere Agenten in eine gemeinsame Umgebung zu stellen. Dabei handeln diese Agenten im Idealfall vollständig parallel und erzeugen ein globales Muster mittels Selbstorganisation. Leider ist dies meist nicht so einfach.»

Hm, eine ernste Sache...leider ist der direkte Weg nicht so einfach..

Franziska Klügl: Multiagentensimulation. Konzepte, Werkzeuge, Anwendung. Addison-Wesley 2001.

Sehr gefällt mir das «klassische Problem der essenden Philosophen». Ich wusste weder, dass das Problem besteht, noch dass es als klassisch gilt, obwohl ich mir zu Essproblemen bei Philosophen Reichhaltiges vorstellen kann. Das Problem - merke - ist nur mit Petri-Netzen (mit verknüpften!) zu lösen. Wie der Knoten "Gabel leer" entweder zu "weiter" oder zu "satt" führt, glänzt in konstruktiver Eleganz. Und nun denken wir uns, dass auch Philosophen vor einem Teller nichts weiter als kleine petri-gesteuerte Schaufler sind...

Von schlechtem Geschmack ist es im übrigen auch, ein Simulationssystem in Lisp zu schreiben, und dieses dann nach Schicki-Micki-Java zu portieren. Auch hier wäre nach Tischsitten zu fragen.

Posted by afa at 14:12

Jambenstricke

«Was gedenken Sie gegen die Schwerkraft zu tun?»
«Aufflattern, hoch, Sie irreparabler Gesang!»

Urs Allemann: schoen! schoen! Gedichte. Urs Engeler Editor 2003.

Posted by afa at 13:36

20.10.03

Ein neugeordnet Rechenbüchlein

«Er wurde 1499 oder 1500 in Brescia geboren und stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Er starb 1557 in Venedig. Der Name "Tartaglia" bedeutet "Stotterer". Während der Plünderung 1512 von Brescia durch die Franzosen wurde der Junge am Kopf schwer verletzt und behielt die Behinderung des Stotterns. Mit 14 Jahren sollte er bei einem Lehrer mit dem Alphabet bekannt gemacht werden, doch reichte das Schulgeld nur bis zum Buchstaben K. Mit einem gestohlenen Lehrbuch hat er sich dann selbst Lesen und Schreiben beigebracht.»

Eine schlecht geschriebene Beispielpassage aus einem wundervollen Buch:
H.W. Alten, A. Djafari Naini, M. Folkerts, H. Schlosser, K.-H. Schlote, H. Wussing: 4000 Jahre Algebra. Geschichte Kulturen Menschen. Berlin [etc]: Springer 2003, 653 S.

Posted by afa at 14:52

Lisp works

Auch als legitimer Besitzer von MCL darf man auf die neu freigegebene Version von LispWorks für OS X verweisen.

Vom Steinkeil zur IDE: gebt uns Werkzeuge!

Posted by afa at 12:20

18.10.03

Musiktheorie, kongressverpackt

Was sich am diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Musiktheorie erfahren liess, war weniger «Theoriebildung an ihren Grenzen» (so der Titel der Veranstaltung) als Redner an ihren Grenzen. Was ich neben dem ganzen technischen Support zumindest mit halbem Ohr mitbekam, grenzte zu häufig an pure Hilflosigkeit. Dennoch Brillantes allenthalben, die Konzerte eine Wohltat.

Leider nicht zu vermeiden: wenn mehr als drei deutsche Theoretiker sich versammeln, ist Adorno immer dabei.

Posted by afa at 11:20

Westwärts

Unbewusst geht die Lektürerichtung wieder nach Portugal: Lobo Antunes mit dem ungeschickten deutschen Titel «Was werd ich tun, wenn alles brennt?» und Saramago mit «Das Zentrum». Bei beiden stellt sich einmal mehr die Übersetzungsfrage, Saramago zumindest hätte ich nach wenigen Seiten beinahe weggelegt. Um der Figur des alten Töpfers Cipriano Algor willen durchgehalten.

Für alles andere gilt: Kaum packe ich etwas an, liege ich schon im Hintertreffen.

Posted by afa at 11:09

Herbst

Der Peterspark ist ein einziges Sägen, Schleifen und Nieten. Aufbau der Herbstmesse, in ein paar Tagen wirds hier nach Mandelbrot und Rosenkuchen riechen. Die marktschreierische Anpreisung der neuesten Küchenwaffen liegt mir noch von den letzten Jahren im Ohr. Abends die Wurstfresser vor dem Bürofenster, Senfspuren auf dem Fensterbrett. "Schau mal, da sitzt ja einer drin...!" Und ich darf dem hochgehobenen Kind winken.
Und Massen, Blöcke, Clusters von Menschen: fiebriger Semesterbeginn.

Posted by afa at 10:57